Schattenbilder

Dr. Matthias Gretzschel
Über die Südsee-Arbeiten von Katrin Magens

Schon lange hatte sich Katrin Magens gewünscht, in dieses Land zu reisen, in dem die Menschen noch sehr viel ursprünglicher leben als in der westlichen Zivilisation. Durch die Begegnung mit der Hamburger Ethnologin Frau Dr. Antje Kelm ergab sich im Sommer 2009 die Möglichkeit, an einer Studienreise des Museums für Völkerkunde nach Papua-Neuguinea teilzunehmen. So kam sie ganz unmittelbar mit der Kultur von Menschen in Berührung, die einerseits noch ganz im Einklang mit der Natur und ihren geheimnisvollen Traditionen leben, andererseits aber mehr und mehr von den Herausforderungen des modernen Lebens ergriffen werden. Knapp 100 Jahre nachdem sich Emil Nolde in der damals zur Kolonie „Deutsch-Neuguinea“ gehörenden Insel Neubritannien auf die Suche nach der Ursprünglichkeit der Kunst begeben hatte, besucht Katrin Magens die selben Orte, die selben Strände und die selben Ethnien und ist erst einmal überwältigt von den Eindrücken, von Farben des Himmels, von Geräuschen und von der Fremdartigkeit der Sprachen und den Gesichtern der Menschen, deren Ausdruck sich oft kaum erschließen lässt. Aber neben der Schönheit sieht sie auch Hässliches, neben dem, was unserer Südsee-Erwartung entspricht, begegnet ihr Befremdliches. Und so sind es die Brüche, die Katrin Magens auch als Künstlerin mehr und mehr beschäftigen: Ahnenkult und Handy, Muschelgeld und Geldautomat, Maskentanz und Plastiktüten, Steinschleudern und Coca-Cola-Reklamen.
Eine Nacht in den Bergen beim Volk der Beining, dessen Männer mit großen, enorm ausdrucksstarken Masken mitten durchs Feuer tanzen, hinterlässt starke Eindrücke. Katrin Magens steht ganz vorn und hört hinter sich die Stimme von Nelly, einer jungen Frau, die sie auf Englisch anspricht. In der Dunkelheit kann sie sie nicht sehen, hört sie nur und kommt doch mit ihr ins Gespräch. Nelly erzählt Katrin Magens von ihren Träumen und Hoffnungen. Sie wünscht sich, nicht zehn, sondern nur drei Kinder zu bekommen, sie möchte einen richtigen Beruf ergreifen und die Enge ihres Stamms, ihres Clans verlassen. Auf einem jener Bilder, die erst sehr viel später entstehen, stellt Katrin Magens Nelly als tänzerische, schlanke Figur dar, die sich etwas von der Gruppe absetzt, aber mit einem Arm noch immer die Verbindung zu ihrer Umgebung hält. Es ist der Versuch einer Emanzipation, der wahrscheinlich nur ein Gedanke, ein Wunsch bleiben wird.
Der Clan und der Tänzer, die Gruppe und der Einzelne, die Nähe und die Distanz, das Beharren und der Aufbruch – das sind die Themen, die Katrin Magens in ihren Bildern mit zarter und zurückhaltender Farbigkeit darstellt.
Auf Fotos aus der Kolonialzeit entdeckte sie merkwürdige Szenen, in denen Einheimische lernten, weiße Tischwäsche zu bügeln. So hat sie ihre mehrfarbigen Holzschnitte nicht nur auf Papier gedruckt, sondern auch auf Tisch- und Bettwäsche, deren eingewebte Muster den Arbeiten eine zusätzliche Dimension verleihen. Ihre großen Holzschnitte sind immer durch acht Druckstöcke entstanden, vier gelb- und vier schwarzfarbige. Da die Stoffe zuvor mit Zwiebelschale eingefärbt wurden, entstanden feine und sehr unterschiedliche Farbnuancen. Die oft dominierenden Brauntöne erinnern an die Maskentänzer, die schwarzen Figuren an die nächtliche Szenerie der Feuertänze mit ihren Kontrasten von Feuer und Dunkelheit.
„Meine Bilder sind nie eindeutig, sie zeigen immer Überlagerungen verschiedenerer Wirklichkeiten“, sagt Katrin Magens, die lange gebraucht hat, bevor sie die Eindrücke dieser Reise gestalten konnte. Dabei entstanden keine klassischen Südsee-Motive, sondern Bilder von zarter Eindringlichkeit, die eine disparate Wirklichkeit zum Ausdruck bringen: eine Kultur im Übergang, die sie manchmal mit leiser Wehmut betrachtet hat, aber immer wieder auch mit Faszination und Bewunderung. Etwa die ausgefeilten Choreographien der hinreißend schönen Tänze, deren Nachlang in Katrin Magens farbigen Holzschnitten immer wieder zu spüren ist.

Dieser Text von Dr. Matthias Gretzschel entstand anlässlich einer Einzelausstellung von Katrin Magens im Schloss Reinbek in Reinbek/Schleswig-Holstein, für ein fünfseitiges Leporello „Papua Neuguinea-Südseebilder“ .